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O.T.

Samstag, 3. Oktober 2015 – Sonntag, 8. November 2015

Raphael Hefti, Rodrigo Hernández, Michael Pfrommer, Mandla Reuter, Hannah Weinberger

Kuratiert von Kiki Seiler-Michalitsi

Die nicht thematische Gruppenausstellung führt Vertreter einer jungen internationalen Kunstszene zusammen, die sich trotz Verschiedenheit in der künstlerischen Praxis und im künstlerischen Verhalten in einer Ausstellung begegnen, in welcher sowohl das spezifisch Eigene, wie auch das unvermeidlich Gemeinsame zur Darstellung gelangen. Indem sich die Ausstellung während ihrer ganzen Entstehungszeit fortwährend neu generierte und sich neu erfand, mutierte sie zu einem Versuchsmodell von offener Dimension.

Raphael Hefti
Der 1978 in Biel geborene, heute in Zürich und London lebende und arbeitende Raphael Hefti, hat, nach einer Ausbildung zum Elektroniker, an der Ecole Cantonale d’Art in Lausanne (Fotografie) und an der Slade School of Fine Art des University College in London studiert. In seiner Arbeit setzt er sich mit industriellen Fertigungsprozessen bzw. mit der technischen Entstehung von Alltagsgegenständen auseinander. Durch Umwandlung bzw. Veränderung herkömmlicher Produktionsabläufe und exzessiven, kühnen Behandlungen, versucht er dabei die oft ungeahnten Eigenschaften von Materialien und deren besondere Ästhetik offenzulegen. Raphael Hefti experimentiert mit Werkstoffen wie Glas, Stahl, Magnesium, pyrotechnischem Licht oder Fotopapier. In alchemistischer Manier entstehen daraus skulpturale Objekte und Bilder von schillernder Ästhetik, die unsere industriell bedingte, konditionierte Wahrnehmung hinterfragen. So auch seine in der Ausstellung präsentierte Arbeit (Various threaded poles of determinate length potentially altering their determination, 2015) mit Stangen aus verschiedenen Metallen, die auf 1100º erhitzt, eine gläserne Fragilität erhielten, deren Oberfläche jedoch teilweise eine durch die harte Prozedur hervorgerufene, aufgebrochene, zerfressene, an Verkohltes erinnernde Struktur aufweisen. 

Rodrigo Hernández
Der 1983 in Mexico City geborene, zur Zeit als Stipendiat der Laurenz-Haus Stiftung in Basel lebende Rodrigo Hernández hat in der BFA Escuela National de Pintura in Mexico City, in der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und an der Jan Van Eyck Akademie in Maastricht studiert. Sein Werk besteht aus Zeichnungen, Objekten und Skulpturen, die oft aus intensiven Recherchen und der Auseinandersetzung mit der anarchischen Kunststrategien des Dadaismus und Surrealismus, bzw. mit Literatur hervorgehen und in komplexen, minimalistisch anmutenden Konzeptinstallationen zusammen-geführt werden. Man made out of clouds, 2015, seine Arbeit in der Ausstellung, eine hängende, rudimentär in Flachrelief ausgearbeitete, archaisch anmutende humanoide Gestalt, ist eine weitere Entwicklung von Rodrigo Hernández‘ “Sonderlingen“, eine archetypische, Idol-ähnliche Figur von hohem identifikatorischem Potential, die sich auf kunstimmanente Systeme anlehnt und mit dem Werkbetrachter interferiert. 

Michael Pfrommer
Michael Pfrommer, 1972 in Leonberg (D) geboren, hat an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, Städelschule in Frankfurt a. M. und an der Musashino Art University in Tokio studiert. Er lebt und arbeitet in Frankfurt a. M. Michael Pfrommers bevorzugte Medien sind Malerei, Zeichnung und Illustration, mit welchen er narrative Strukturen, historische Erzählungen bzw. fantastische Geschichten bearbeitet. Es entstehen so humorvoll-skurrile Malereien und Zeichnungen, rätselhafte, verstörende Eigenwelten mit offenen Handlungsabläufen und nicht zu Ende gesponnenen Erzählungssträngen. Es entstehen fragmentarische Narrative, von Musik, Filmen, Liedertexten, Comics und dem direkten persönlichen Umfeld, sowie der Faszination des Künstlers für manche Künstler der Vergangenheit inspiriert (Francisco de Goya, James Ensor u.a.); surreal verfremdete Mythologien mit oft abwesenden Protagonisten werden wiederholt überarbeitet und in immer neue Zusammenhänge überführt. 

Mandla Reuter
Der 1975 in Nqutu (Südafrika), heute in Berlin lebende Künstler Mandla Reuter hat an der Städelschule in Frankfurt a. M. und an der School of Design, New York studiert. Seine Raumkonzepte und Interventionen befassen sich mit realen und fiktiven Orten, mit Innen- und Aussenräumen, ihren Funktionen und deren Wandlungen. Durch subtile oder radikale Eingriffe finden örtliche und zeitliche Verschiebungen, De- und Rekontextualisierungen statt. Dabei werden oft örtliche Gegebenheiten neu geordnet oder in Frage gestellt, mit neuen Bedeutungen aufgeladen, anders wahrnehmbar gemacht. Mandla Reuter entwirft, komponiert oder restrukturiert neue Räume mit existierenden Objekten und natürlichen oder industriellen gefertigten Materialien. Seine Arbeiten im Innenhof und im Innern des Kunst Raum Riehen sind eine lose Zusammenstellung von Gegenständen, die ein zusammenhängendes Konstrukt bilden. Während im Innenhof zwei scheinbar liegengelassene Objekte, ein roher Marmorblock und eine Rohrkurve, zu Verweise für Springbrunnen bzw. zu Teilstücken von grösseren städtischen Bewässerungssystemen oder Besiedlungsprojekten mutieren, trifft man im Innern des Hauses auf einen Verweis (gerahmter Brief) auf ein Stück Land, einem nicht lokalisierten Ort, der aber in Los Angeles vermutet wird. Eine raumgreifende Lichtarbeit bestehend aus einer Natriumdampflampe und Neonröhren, die stündlich umschalten, taucht den gleichen Raum in intensives gelbes bzw. fahles Tageslicht und spricht somit jenen Zeitpunkt der Dämmerung an, in dem üblicherweise Aussenbeleuchtung einer Stadt ein- oder ausgeschaltet wird. Sie verweist gleichzeitig auf verschiedene Zeitzonen. Die collageartige Zusammenstellung von Gegenständen enthebt den Raum aus dem Kontext des Ausstellungsortes. 

Hannah Weinberger
Hannah Weinberger, geboren 1988 in Filderstadt (D), studierte mediale Künste an der Hochschule der Künste, Zürich. Sie lebt und arbeitet in Basel. Die Erzeugung von Klangarbeiten, Musik- und Sound-Performances, oft aus einem Kollektiv heraus entwickelt und mitproduziert, stellt einen essentiellen Bestandteil der künstlerischen Praxis von Hannah Weinberger dar. Wegen ihrer offenen Arbeitsweise ist sie nicht nur wichtige Repräsentantin gegenwärtigen kollektiven Schaffens, sondern auch Vertreterin einer jungen Generation, die sich, im Zeitalter unbegrenzter Verfügbarkeit von Informationen und Medien, Zugriff zu einer stets perfektionierenden Technologie (Musik- und Filmproduktionen) verschafft, um aus verschiedenen Online-Plattformen und anderen Quellen Übernommenes, im Computer Zusammengesetztes, neu Komponiertes entstehen zu lassen. Die Klangarbeiten von Hannah Weinberger im Kunst Raum, reduzierte, subtile Sounds, täuschen Hintergrundmusik vor, wie sie in Shopping Centers, Verkaufsläden, Aufzügen, Aufenthaltshallen, und andern öffentlichen Orten benutzt wird, um konsumistisches Verhalten durch vorgetäuschte Diskretion zu untermalen. In den Ausstellungsraum übertragen, wird ihre Funktion entblösst, sie wirkt aufdringlich, sie animiert zugleich. Hannah Weinbergers partizipative Sound-Konzepte von sozialer Relevanz entpuppen sich so als ein Modell, das längst zu Strategien konsumorientierter Welten geworden ist; eine sinnliche Erfahrung.

Ausstellungsansichten, O.T., Kunst Raum Riehen, 2015. Photos: Viktor Kolibàl
Alle Kunstwerke © die Künstlerinnen und Künstler